Buchcover Robison Wells: Du kannst keinem trauen

Der 18-jährige Benson hat ein Stipendium für das Maxfield Elite-Internat ergattert; dort hofft er,...

Rezension von Anja Rekeszus

Der 18-jährige Benson hat ein Stipendium für das Maxfield Elite-Internat ergattert; dort hofft er, nach einer bewegten Vergangenheit endlich ein normales Leben führen zu können. Doch die Schule erweist sich schon bald als Gefängnis: Den Schülern ist jeder Kontakt zur Außenwelt verboten, sie werden rund um die Uhr überwacht und Verstöße gegen die Regeln werden hart bestraft...

BuchtitelDu kannst keinem trauen
AutorRobison Wells (aus dem Englischen übersetzt von Alice Jakubeit)
GenreKrimi & Thrill
Lesealter14+
Umfang477 Seiten
VerlagFISCHER FJB
ISBN978-3-8414-2140-1
Preis14,99 €

Der 18-jährige Benson hat ein Stipendium für das Maxfield Elite-Internat ergattert; dort hofft er, nach einer bewegten Vergangenheit endlich ein normales Leben führen zu können. Doch die Schule erweist sich schon bald als Gefängnis: Den Schülern ist jeder Kontakt zur Außenwelt verboten, sie werden rund um die Uhr überwacht und Verstöße gegen die Regeln werden hart bestraft. Es gibt keine Lehrer; die Jugendlichen sind in Banden organisiert und müssen täglich um ihre Rechte an der Schule kämpfen. Die meisten haben den Gedanken an einen Ausbruch bereits aufgegeben, doch Benson ist fest entschlossen, auszubrechen.
Trotz seiner Fluchtabsichten verliebt Benson sich in Jane. Als diese nach einem Schulball brutal zusammengeschlagen wird, macht der Junge eine grauenvolle Entdeckung, die ihn in tödliche Gefahr bringt. Benson hat keine Wahl mehr: Er muss einen Fluchtversuch wagen…

„Dann hörte ich ein Krachen, und Walnuts Stimme klang plötzlich laut und wütend. Er fluchte und kreischte. Jemand war bei ihm – sein Zimmergenosse, wer das auch sein mochte –, und auch er kreischte. Aber sie waren nur zu zweit, und ich hatte mindestens ein Dutzend Schatten auf dem Korridor gesehen. Die Society hatte über dreißig Mitglieder, und ich hätte gewettet, dass alle Jungen da waren und halfen, Walnut zu überwältigen.
Trotz der Kälte lief mir der Schweiß übers Gesicht. Ich konnte nichts tun, um ihm zu helfen. Es waren zu viele.
Einen Moment später trat ein Schatten aus dem Havoc-Korridor, und ich zog mich hastig in das leere Zimmer zurück. Ich lehnte die Tür an, so dass nur ein zwei Zentimeter breiter Spalt blieb, und spähte hindurch.
Triumphierend marschierten die Society-Kids an mir vorbei, sie lachten und waren völlig aus dem Häuschen. Isaiah ging an der Spitze, still, aber stolz. Den schreienden Walnut zerrten sie hinter sich her. Sie hatten ihm Hände und Füße gefesselt, und er trug kein Hemd – nur Boxershorts.
‚Was habe ich denn getan?‘, heulte er verzweifelt. ‚Was habe ich denn getan?‘“
(S. 165-166)

Robison Wells Jugendthriller wirkt wie eine Mischung aus Harry Potter und dem Herrn der Fliegen: Er bietet eine Schule voller Geheimnisse, eine gleichermaßen actionreiche wie blutrünstige Handlung sowie eine zweite Ebene hinter dieser Oberfläche.
Die Spannung, die das Buch zum regelrechten „Pageturner“ macht, wird vorwiegend durch das Rätsel, das die Maxfield Academy darstellt, erzeugt. Der Leser wartet begierig auf jeden Hinweis, der den Hintergrund des bizarren Internats und die Intention seiner Begründer weiter erhellen könnte. Wells gelingt es auf kunstfertige Weise, den Leser auf falsche Fährten zu locken, sodass die Enthüllung im Anschluss an den Abschlussball tatsächlich schockierend wirkt. Anstatt die drängenden Fragen des Lesers zu beantworten, wirft sie weitere auf und steigert die Spannung noch zusätzlich. Gleichzeitig bieten actionreiche Binnenhandlungen wie die Paintballturniere zwischen den Schülerbanden Abwechslung im Handlungsgefüge, und auch das Fortschreiten von Bensons Fluchtplänen, die ihn mehr als einmal in Lebensgefahr bringen, hält das Interesse des Lesers aufrecht.

Benson, die 18-jährige Hauptfigur, bleibt leider ein wenig blass. Abgesehen davon, dass er ein Teenager und Außenseiter ist, ist seine Charakterisierung recht inkonsistent: Manchmal verhält er sich introvertiert und zurückhaltend, dann wieder weist er hohes Aggressionspotential auf. Sein Entwicklungsbogen – Benson lernt, auch an andere zu denken und versucht deshalb, allen Schülern die Flucht am Ende des Romans zu ermöglichen – spielt ebenfalls eine eher untergeordnete Rolle im Handlungsgeschehen. Auch die Zeichnung der anderen Charaktere fällt eher schlicht aus, was wohl damit zusammenhängt, dass es so viele von ihnen gibt und die Schüler, vor allem im Rahmen des Showdowns, recht flächendeckend ihr Leben lassen müssen, es also kaum Sinn macht, eine tiefere Bindung zu ihnen aufzubauen.
Womöglich findet die tiefere Charakterisierung von Benson und den wenigen Überlebenden im Folgeband dieser zweibändigen Thriller-Serie statt.
Die Identifikation mit den Figuren wird hauptsächlich über Elemente aus ihrem Alltag möglich, die durchaus realistisch gezeichnet erscheinen: Die Schüler spielen Paintball und Konsolenspiele, unterhalten sich über Filme und weisen generell eine starke Technikbezogenheit auf.

Überhaupt sehr gelungen sind die zahlreichen Bezüge zu zeitgenössischen Themen sowie zu philosophischen Fragestellungen: Die Wirkungsweisen einer Gesellschaft ohne Autoritätspersonen, der Wert der Freiheit gegenüber dem der Sicherheit und der Unterschied zwischen Mensch und Maschine sind thematische Aspekte, die sich durch den gesamten Roman ziehen. Es gelingt dem Autor hierbei, Denkanstöße zu geben, ohne dabei den Fluss der Handlung zu unterbrechen.
Diese wiederum wirkt stellenweise etwas zerfahren und willkürlich; bedingt ist dies dadurch, dass die Agenden der drei Schülerbanden – Sicherheit und Gehorsam, Ausnutzen des Fehlens von Autoritätspersonen und die Suche nach einer Fluchtmöglichkeit – nicht konsequent durchgehalten und bei Bedarf seitens des Autors einfach ausgesetzt werden. Dieser Makel wird jedoch durch das hohe Maß an Spannung wieder ausgeglichen.

Du kannst keinem trauen ist alles in allem ein empfehlenswerter Jugendthriller, dem die nahtlose Kombination von Spannung und anspruchsvollen Themen gut gelingt, sodass kleinere Mängel und Ungereimtheiten leicht überlesen werden können. Hinzu kommen die rasch voranschreitende Handlung und die einfach gehaltene Sprache; alle Aspekte zusammengenommen haben das Potential, auch Leseeinsteiger zu fesseln und zum Weiterlesen zu animieren.

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