Buchcover Dirk Kurbjuweit: 2er ohne - Die Geschichte einer bedingungslosen Freundschaft

Der Ich- Erzähler Johann erinnert sich rückblickend an seine Freundschaft mit Ludwig, die über...

Rezension von Jana Tempelmeyer

Der Ich- Erzähler Johann erinnert sich rückblickend an seine Freundschaft mit Ludwig, die über sieben Jahre gewachsen ist. Die Geschichte beginnt, als Ludwig in die Klasse von Johann wechselt. Die Jungen freunden sich an und werden bald beste Freunde. Um in der Ruderdisziplin „Zweier ohne“, in der es keinen Steuermann gibt, erfolgreich zu sein, beschließen Johann und Ludwig bald wie Zwillinge zu werden. Die Jungen sind mittlerweile 17 Jahre alt und davon überzeugt, dass sie wichtige Erfahrungen gemeinsam erleben müssen, damit sich ihre Gedanken und Gefühle immer mehr angleichen, um so wie Zwillinge werden zu können...

Buchtitel2er ohne: Die Geschichte einer bedingungslosen Freundschaft
AutorDirk Kurbjuweit
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang134 Seiten
Edition2009
VerlagKiepenheuer & Witsch
ISBN978-3462040265
Preis6,99 Euro

Der Ich- Erzähler Johann erinnert sich rückblickend an seine Freundschaft mit Ludwig, die über sieben Jahre gewachsen ist.

Die Geschichte beginnt, als Ludwig in die Klasse von Johann wechselt. Die Jungen freunden sich an und werden bald beste Freunde. Um in der Ruderdisziplin „Zweier ohne“, in der es keinen Steuermann gibt, erfolgreich zu sein, beschließen Johann und Ludwig bald wie Zwillinge zu werden. Die Jungen sind mittlerweile 17 Jahre alt und davon überzeugt, dass sie wichtige Erfahrungen gemeinsam erleben müssen, damit sich ihre Gedanken und Gefühle immer mehr angleichen, um so wie Zwillinge werden zu können. Deshalb schlafen sie nacheinander mit demselben Mädchen, in das sie beide nicht verliebt sind. Die Freundschaft nimmt eine Wendung, als sich Johann in Ludwigs Schwester Vera verliebt. Johann erzählt Ludwig nicht, dass er Vera näher gekommen ist und mit ihr geschlafen hat. Ludwig verändert sich immer mehr, er redet weniger und kann kaum das Gewicht mit Johann halten, was für das Rudern enorm wichtig ist. Prompt verlieren sie die nächste Regatta. Die Geschichte nimmt Fahrt an, als Ludwig Johann zu einer Mutprobe auffordert: auf dem Autobahngeländer sitzen ohne sich festzuhalten. Johann hat riesige Angst, beugt sich aber Ludwigs Willen. Doch die beiden scheinen unaufhaltsam immer weiter auseinander zu driften.

Leider ist es eines Tages zu einer hässlichen Szene gekommen, von der ich nicht gerne erzähle, aber sie gehört zu jenem Sommer, und deshalb muss es sein. Ludwig und ich hatten sehr hart trainiert, wir waren so lahm, dass wir für den Rückweg das Schiff der Weißen Flotte nahmen. Schweigend saßen wir in der ersten Bankreihe und ließen uns vom Wind kühlen, schöne Momente sind das übrigens, wenn man gemeinsam erschöpft ist, und dann, beim Haus unter der Brücke angekommen, gingen wir gleich in die Werkstatt, wo wir etwas sahen, das wir bis dahin nie gesehen hatten: Vera saß auf unserer Triumph und dreht am Gasgriff, der noch gar nicht mit dem Vergaser verbunden war. Die Erinnerung an das, was dann geschah, lässt mich wieder schaudern, weil ich einen geliebten Menschen außer Kontrolle erleben musste. Ludwig stürzte durch die Werkstatt, packte seine Schwester an den Schultern und riss sie von der Tiger Club. Dabei fiel das Motorrad um, fiel auf Vera, für die das aber ein Glück war, denn so war halbwegs geschützt vor den Schlägen und, das muss ich leider auch sagen, Tritten ihres Bruders. Nur mit Hilfe des Vaters, der einen Auspuff ausgebrannt hatte, gelang es mir, Ludwig von seiner Schwester zu lösen. Ich zog ihn hinaus, und auf der Wiese vor der Werkstatt sprang er mich sofort an, und wir kämpften ewig, ohne dass einer die Oberhand gewinnen konnte. Schließlich gaben wir beide gleichzeitig erschöpft auf. Wir haben uns bald wieder vertragen, und die Länge und Härte unseres Ringens sowie die exakt gleichzeitige Erschöpfung nahmen wir als neuerlichen Beweis, wie sehr wir uns angeglichen hatten. Ich denke auch, dass ich Ludwigs Attacke gegen Vera richtig einschätze, wenn ich sage, dass sich zwischen Bruder und Schwester häufig etwas aufstaut, was sich eines Tages plötzlich entlädt. Das ist ganz normal, weshalb ein solches Ereignis auf den ersten Blick schlimmer wirkt, als es tatsächlich ist.

(S.89-90)

Die Novelle, die die gesamte Zeit der Adoleszenz umspannt, wird von dem Ich-Erzähler Johann erzählt. Man erlebt die Freundschaft zwischen Johann und Ludwig stets aus der Perspektive Johanns, was zum einen ein hohes Maß an Interpretationsräumen liefert, zum anderen aber auch viele Fragen aufwirft. Zunächst einmal bietet die Ich-Erzählperspektive ein enormes Identifikationspotential, da Johann mit den typischen Problemen eines Teenagers konfrontiert wird, wie zum Beispiel feste Freundschaften zu schließen und das erste Mal zu erleben. Neben der Förderung von Empathiefähigkeit eröffnet die Ich-Erzählung auch Möglichkeiten zur Perspektivenübernahme. Dadurch, dass das Geschehene nie aus Ludwigs Sicht erzählt wird, erfährt man als Leser erst einmal sehr wenig über Ludwig. Doch sein Verhalten, das oft sehr extrem und radikal erscheint, seine Entscheidungen und Pläne, eröffnen zahlreiche Möglichkeiten zur Perspektivenübernahme. Als Leser fragt man sich oft, warum Ludwig so radikale Forderungen an Johann stellt, Johann diese aber nicht hinterfragt. Es scheint, als unterwerfe sich Johann in dieser Freundschaft und merke es nicht. Ludwig mutet als der Stärkere und Dominantere in der Freundschaft an, obwohl das gemeinsame Ziel ist, gleich zu sein und sich anzupassen.

Der Ich-Erzähler berichtet aus der Rückblende und obwohl er nun erwachsen ist, hinterfragt und kritisiert er Ludwig nicht, sondern solidarisiert sich nach wie vor mit ihm. “Natürlich hatte er Recht“, ist ein Satz, den er mehrmals sagt. Johann wirkt dadurch oft naiv. Die Novelle gibt Anlass über Freundschaftswerte nachzudenken und zu sprechen und auch über das Gleichgewicht in Zweierbeziehungen. Ist es realistisch, dass in einer Zweierbeziehung beide Teile absolut gleichberechtigt sind? In der Novelle scheint dieses Konzept, diese Idee von Freundschaft nicht zu funktionieren. Hier ist natürlich auch die Phase der Adoleszenz ausschlaggebend. Der Protagonist ist zu Beginn der Erzählung auf der Suche nach einem besten Freund, nach Halt und einem Weg, einer Orientierung. All dies scheint ihm Ludwig zu bieten. Auch das Thema Scheidung und die damit durcheinandergebrachte Eltern-Kind-Beziehung, wird in der Novelle thematisiert: Johann hat Probleme damit, seine Mutter, die vom Vater verlassen wurde, als eine hilflose Person wahrzunehmen. Das Thema Beziehung wird in der Novelle vielfältig angegangen; es ist nicht nur die tiefe Freundschaft oder die distanzierte Eltern-Kind-Beziehung, sondern auch die Beziehung zum anderen Geschlecht, die thematisiert wird. Johann schreibt, dass er auch später, als junger Erwachsener, nicht in der Lage ist, stabile Beziehungen zu führen. Auffällig ist, dass Johann, eher untypisch für den Coming-of-Age-Roman, auch als junger Erwachsener nicht in der Lage ist, retrospektiv die Freundschaft zu Ludwig zu hinterfragen und zu beurteilen oder dies nicht möchte.

Die Novelle ist auch besonders für schwächere Leser empfehlenswert, da sie durch ihre einfache, klare Sprache leicht zu lesen und außerdem sehr kurz gefasst ist. In den sechs Kapiteln wird weitestgehend auf Fremdwörter verzichtet. Der geübte Leser ist insofern angesprochen, dass diese Novelle viel Raum zum Interpretieren gibt, sei es durch die Symbole und Leitmotive, die ein wichtiges Gattungskriterium sind und in dieser Erzählung Platz finden, oder auch durch das Weglassen von großen Emotionen und längerer direkter Rede.

Die Erzählung ist von Beginn an spannend und man ahnt, dass sich etwas Tragisches ereignen könnte. Der Anspruch der Erzählung liegt zusammenfassend also weniger im sprachlich-künstlicheren Bereich, sondern eher auf der interpretatorischen-analytischen Ebene, demzufolge auch insbesondere mathematisch-naturwissenschaftliche Begabte einen leichten Zugang zum Buch finden können.

Das Buch bietet spannende, aber auch relativ sachliche Einblicke in eine besonders Freundschaft und die Adoleszenz eines Ich-Erzählers. Einfach zu lesen und trotzdem voller Interpretationsmöglichkeiten eignet sich das Buch auch für Lesemuffel.

Die Novelle eignet sich gut für den schulischen Einsatz, da die typischen Themen der Adoleszensliteratur dort vorkommen. Auf dem Landesbildungsserver Baden-Württemberg findet man kreative Schreibaufgaben für den Literaturunterricht und Ideen für Unterrichtsbausteine:

(21.09.2014) und

Zudem gibt es verschiedene Erläuterungen etc. im Buchhandel.