Buchcover Brandon Sanderson: Steelheart

Seitdem die rätselhafte Calamity am Himmel aufgetaucht ist, entwickeln einige Menschen Superkräfte....

Rezension von Eva Maus

Seitdem die rätselhafte Calamity am Himmel aufgetaucht ist, entwickeln einige Menschen Superkräfte. Die meisten von diesen ‚Epics‘ genannten Menschen sind wahrhaftige Bösewichte, die normalen Menschen mit Grausamkeit und Hochmut begegnen. Nur wenige glauben daran, dass es auch Helden unter ihnen gibt. Doch bei einem verheerenden Bankraub zerstört der scheinbar allmächtige und gute Steelheart diese Hoffnung...

BuchtitelSteelheart
AutorBrandon Sanderson (aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski)
GenreFantasy
Science Fiction
Lesealter14+
Umfang448 Seiten
VerlagHeyne
ISBN978-3-453-26899-9
Preis17,99 €

Seitdem die rätselhafte Calamity am Himmel aufgetaucht ist, entwickeln einige Menschen Superkräfte. Die meisten von diesen ‚Epics‘ genannten Menschen sind wahrhaftige Bösewichte, die normalen Menschen mit Grausamkeit und Hochmut begegnen. Nur wenige glauben daran, dass es auch Helden unter ihnen gibt. Doch bei einem verheerenden Bankraub zerstört der scheinbar allmächtige und gute Steelheart diese Hoffnung: Nachdem den eigentlich Unverwundbaren eine Kugel verletzt hat, tötet dieser Davids Vater und alle anderen Anwesenden. David überlebt als einziger Zeuge das Inferno. Anschließend zerstört Steelheart die Bank und unterwirft sich die ganze Stadt.

Acht Jahre später herrscht ewige Dämmerung, denn Steelhearts Anhänger Nightwielder kann das Licht verdrängen. Die Menschen leben größtenteils versteckt in unterirdischen Gängen. Gewalt und Ungerechtigkeit sind an der Tagesordnung. Davids Lebensinhalt ist die Rache für den Mord seines Vaters. Zu diesem Zweck hat er Informationen über Epics gesammelt und Pläne für Steelhearts Ermordung erarbeitet. Als es ihm gelingt durch seine Geistesgegenwart und seinen Mut die letzte kleine Gruppe Widerständler davon zu überzeugen, ihn bei sich aufzunehmen, kann er die gesammelten Informationen und Ideen endlich in die Tat umsetzen. Die „Rächer“ - bestehend aus dem rätselhaften Prof, der intelligente Tia, dem freundlichen Abraham und dem spleenigen Cody - lassen sich auf Davids Plan ein und nehmen den mächtigsten Epic der Stadt ins Visier. Nur die wunderschöne, aber oft widerspenstige Megan, in die David sich sofort verknallt, scheint von dem Plan wenig begeistert. Tatsächlich birgt er viele Gefahren. Und so stürzen sich die Rächer – allen voran David – in actionreiche Kämpfe mit mächtigen Epics, nutzen klassische Waffen und neue Technologien um Steelhearts Macht ins Wanken zu bringen, und müssen schließlich zum entscheidenden Kampf antreten – obwohl sie sich noch immer nicht sicher sind, welche Schwäche Steelheart verwundbar macht. Und selbst, wenn die Rächer diesen Kampf gewinnen, bleibt für die Fortsetzungen eine Welt voller Epics und Ungerechtigkeiten zu besiegen…

Jetzt fuhr ich mit quietschenden Reifen, das Gaspedal bis zum Boden durchgedrückt, um die Ecke der dunklen Straße und verlor beinahe die Kontrolle über das Auto. Ich legte ein Stoppschild und ein Straßenschild um, war aber binnen weniger Herzschläge einen Block weiter und bog schleudernd abermals ab. Dabei geriet ich auf den Gehweg und warf ein paar Mülltonnen um, doch ich gewann die Kontrolle zurück, zog den Wagen herum und kam in Richtung Süden zum Stillstand.
Nun zielte die Motorhaube direkt auf die Gasse. Fortuity taumelte auf mich zu und stolperte über Müll und Kisten, während Megan ihn mit gezielten Schüssen behinderte.
Es knallte, Fortuity wich aus, und meine Windschutzscheibe bekam ein Spinnennetz. Zwei Fingerbreit neben meinem Kopf sauste eine Kugel vorbei. Mir blieb fast das Herz stehen. Megan schoss weiter.
Also wirklich, David, sagte ich zu mir selbst. Du musst deine Pläne in Zukunft etwas genauer durchdenken.
Ich trat das Gaspedal durch und raste in die Gasse hinein. Sie war gerade eben breit genug für das Auto, und auf der linken Seite sprühten Funken, als ich ein wenig zu weit von der Mitte abwich. Der Außenspiegel riss ab.
Die Scheinwerfer beleuchteten einen Mann in einem roten Freizeitanzug mit flatterndem Umhang, der Handschellen trug. Beim Rennen hatte er den Hut verloren, jetzt riss er die Augen weit auf. Er konnte nicht mehr ausweichen.
Schachmatt!
Das dachte ich jedenfalls. Doch als ich nahe genug war, sprang Fortuity hoch und rammte mit übermenschlicher Geschwindigkeit die Füße gegen meine Windschutzscheibe.
Das schockierte mich zutiefst. Fortuity besaß angeblich keine außergewöhnlichen Körperkräfte.
(S.52f.)

Steelheart bietet von den ersten Seiten an Action und Spannung satt und bleibt dabei doch intelligent, nachdenklich und überraschend originell.

David lebt in einer Diktatur des mächtigen Steelhearts, der über zahlreiche Superkräfte verfügt und viele weitere Epics zu seinen Anhängern gemacht hat. Die selbst gewählte Aufgabe des jungen Helden besteht in nichts Geringerem als diese grausame Herrschaft zu beenden – ein zunächst scheinbar unmögliches Vorhaben. Getrieben wird er von der Erinnerung an den Mord seines Vaters. Die grobe Struktur seines Weges vom hilflosen Waisenjungen zum hochgerüsteten, gefährlichen und entschlossenen Kämpfer folgt einer klassischen Heldengeschichte: Immer wieder muss er mutig über sich hinauswachsen und immer stärker werdende Gegner bezwingen bis er schließlich dem Schlimmsten gegenübersteht.

Dabei balanciert Brandon Sanderson gekonnt die dominierende Action und große Spannung mit Davids Reflektionen und Informationen über die beschriebene feindliche Welt aus. Die zahlreichen Kämpfe sind nicht sinnlos, sondern werden logisch aus der Handlung abgeleitet. Dadurch  ist und bleibt der Leser schnell von der Geschichte gepackt. Gleichzeitig schafft er aber auch eine interessante Dystopie und weckt Unsicherheiten, ob die zunächst eindeutige Einteilung in Gut und Böse stimmig ist. Wenn David beispielsweise überlegt, ob er nicht eigentlich nur ein Terrorist ist und ob nicht alle Terroristen davon überzeugt sind, auf der guten Seite zu kämpfen, wird deutlich, dass hier keine tumbe Superheldengeschichte erzählt wird. Dieser Eindruck bestätigt sich durch die überraschenden Wendungen, die den Leser beim Showdown erwarten.

Neben der Kombination aus Spannung und Action einerseits und Originalität und intelligentem Erzählen andererseits, trägt auch die Gestaltung der Figuren zum Lesegenuss bei.
Da der Leser Davids prägende Erfahrung, den Tod seines Vaters, zu Beginn der Handlung „miterlebt“ und chronologisch aus Davids Perspektive erzählt wird, fällt es leicht, den sympathischen Jungen als Identifikationsfigur anzunehmen. Zudem ist er stark, mutig, intelligent und gleichzeitig chaotisch und unsicher. Seine Stärken liegen in der Recherche und der Kategorisierung der verschiedenen ‚Epic-Arten‘, aber auch im Kampf. Insbesondere im Umgang mit der schroffen, wunderschönen und rätselhaften Megan fühlt er sich dagegen oft unbeholfen. Die anderen Anhänger der Widerstandsgruppe Die Rächer fungieren zum Teil als Mentoren und zum Teil als Freunde. Abraham, Tia und Cody sind liebevoll gezeichnete Charaktere, von denen der Leser schnell ein deutliches Bild gewinnt. Sie alle sind auf ihre je eigene Art liebenswert, ohne klischeehaft zu geraten. Nur Megan und den Anführer der Gruppe, den Prof, weiß David und mit ihm der Leser bis zum Schluss kaum einzuschätzen.

Ob die Superkräfte einer magischen Welt entspringen oder es eine technische Erklärung für die Entwicklung der Epics gibt, bleibt ungeklärt und macht eine Einteilung in das Genre Science Fiction oder Fantasy ohne weitere Informationen aus den Fortsetzungsbänden schwierig. Dem Leser begegnen Epics mit unerklärbaren, sehr unterschiedlichen Fähigkeiten, die je verschiedene Schwächen haben, durch die sie verwundbar sind. Es wird über Ursachen der Veränderungen spekuliert, jedoch nur unbewiesene Theorien entwickelt. Gleichzeitig ist Steelhearts Welt geprägt durch gesellschaftliche und technische Weiterentwicklungen, die eine beklemmende, aber detailreiche Kulisse für die Handlung bieten.

Das Cover verspricht eine apokalyptische Atmosphäre und eine knallharte Story, die das Buch durchaus liefert. Die Sprache wirkt authentisch für einen 18jährigen Erzähler und ist damit flapsig, manchmal lustig und immer leicht verständlich. Besonders viel Spaß machen Davids Versuche, passende Metaphern zu finden. Die Unterteilung in 41 Kapitel kann schwächeren Lesern helfen, das recht umfangreiche Buch zu bewältigen – wenn dies auch angesichts der aufgebauten Spannung in den seltensten Fällen nötig sein dürfte.

Steelheart eignet sich besonders für Vielleseverfahren. Durch seine inhaltliche und erzählerische Nähe zu Actionfilmen und -computerspielen kann es insbesondere für Rezipienten solcher Medienangebote lesemotivierend wirken.
Das Nebeneinander von zahlreichen, schnellen - auch brutalen - Kampfszenen mit moralischen Überlegungen und intelligenter Handlung können dabei Präferenzen von Pädagogen und Schülern miteinander vereinbaren helfen.