Buchcover Richard Dübell: Löwenherz. Im Auftrag des Königs

England im Jahre 1189. Sir Wilfrid de Kyme, der Vater der 15-jährigen Edith und des 13-jährigen...

Rezension von Anna Kalusok

England im Jahre 1189. Sir Wilfrid de Kyme, der Vater der 15-jährigen Edith und des 13-jährigen Robert, ist auf dem Weg ins Heilige Land verschollen. Diese Tatsache nutzt nun die Mutter der beiden, Diane de Kyme, um ihren Mann für tot erklären zu lassen und im Anschluss ihren Jugendfreund, den Normannen Victor d’Aspel, zu heiraten. Da ihr die Kinder aus der vorherigen Ehe dabei nur im Wege stehen, möchte sie ihre Tochter verheiraten und den Sohn in einem Kloster unterbringen...

BuchtitelLöwenherz. Im Auftrag des Königs
AutorRichard Dübell
GenreAbenteuer
Lesealter12+
Umfang384 Seiten
Edition1. Auflage 2012
VerlagRavensburger Buchverlag
ISBN978-3-473-40078-2
Preis16,99 €

England im Jahre 1189. Sir Wilfrid de Kyme, der Vater der 15-jährigen Edith und des 13-jährigen Robert, ist auf dem Weg ins Heilige Land verschollen. Diese Tatsache nutzt nun die Mutter der beiden, Diane de Kyme, um ihren Mann für tot erklären zu lassen und im Anschluss ihren Jugendfreund, den Normannen Victor d’Aspel, zu heiraten. Da ihr die Kinder aus der vorherigen Ehe dabei nur im Wege stehen, möchte sie ihre Tochter verheiraten und den Sohn in einem Kloster unterbringen. Die beiden abenteuerlustigen Kinder wollen sich ihrem Schicksal jedoch nicht beugen und begeben sich daraufhin auf eine spannende Reise, die sie zunächst nach London an den Hof von König Richard, der später den Beinamen Löwenherz trug, führt. Da dieser mit den beiden verwandt ist, erhoffen sie sich von ihm Hilfe. Tatsächlich erklärt sich der junge König bereit, den beiden zu helfen, und schon kurze Zeit später befinden sich die zwei Jugendlichen auf dem Weg nach Palästina, wo sie sich auf die Suche nach ihrem verschollenen Vater machen und mitten in die Wirren des dritten Kreuzzuges geraten. Auf ihrer Reise werden sie mit vielen abenteuerlichen Situationen konfrontiert. So treffen sie nicht nur auf eine Bande von Gesetzlosen, sondern müssen sich auch mit den Vasallen des Sheriffs von Nottingham herumschlagen und am Ende sogar gegen das Heer von Sultan Saladin kämpfen.

Die Gesetzlosen marschierten los, die Gefangenen in ihrer Mitte. Johnny Greenleaf trottete niedergeschlagen neben seinem Vater her. Sein Gesicht verriet, dass er sich dafür schämte, wie schäbig Ediths und Roberts gute Tat in der Herberge von seinen eigenen Leuten vergolten wurde.
Die Gruppe bewegte sich beinahe lautlos fort. Nur Ediths wütender Protest gegen die Verschleppung war zu hören. Dann verklang auch ihr Rufen, bis nur noch die Geräusche der Waldtiere in der Dämmerung zu hören waren. Am anderen Flussufer trat eine schwarze Gestalt hinter einem Baum hervor. Sie ließ den Bogen sinken, mit dem sie die ganze Zeit über auf John Miller gezielt hatte. Nachdenklich starrte der Fremde dorthin, wo die Bande verschwunden war.
Dann wandte er sich dem gefesselten Jungen zu, der im Gebüsch lag und wütend zu ihm aufblickte. Die schwarze Gestalt ging in die Hocke.
„Keine Sorge, mein Junge“, sagte der Mann auf Irisch. „Dir passiert nichts. Ich kann dich nur noch nicht freilassen, weil du sonst ins Lager rennst und verrätst, dass ich hier bin. Eine Nacht im Freien wird dich nicht umbringen und dafür sorgen, dass du in Zukunft vorsichtiger bist, bevor du dich von einem Fremden überwältigen lässt. Deine Leute werden dich erst mal nicht vermissen.  Sie werden denken, dass du dich wegen eurem blöden Streich nicht ins Lager traust.“
Die schwarze Gestalt, die niemand anderer war als Bruder Brion, tätschelte dem Gefangenen die Wange. Er lächelte. „Ja, ja“, seufzte er dann. „Wär ich nur ein paar Augenblicke schneller gewesen. Aber ich kriege die beiden, und wenn ich sie mitten aus eurem Lager entführen muss. Danke übrigens, dass du mir den Bogen geliehen hast, Kleiner! Deine Pfeile sind allerdings lausig.“
Er stand so unvermittelt auf, dass der Gefangene zusammenzucke, hob den Bogen, spannte ihn und schoss. Der Pfeil durchdrang das Seil, das noch immer über dem Fluss gespannt war, so sauber wie ein Messer. Die Augen des Gefangenen traten hervor.
Brion zwinkerte ihm zu. „Man muss schon richtig gut sein, um mit diesen Dingern irgendwas zu treffen“, sagte er. Dann verschwand er lautlos wie ein Gesetzloser zwischen den Bäumen.

Der Roman „Löwenherz. Im Auftrag des Königs“ spielt im historischen England des ausgehenden 12. Jahrhunderts, in welchem Richard I. Plantagenet, der spätere Richard Löwenherz, soeben den Thron bestiegen hat und als Normanne das zwischen Angelsachsen und Normannen gespaltene England wieder zu vereinen versucht.

Eine mittelalterliche Landkarte zu Beginn des Buches zeigt dem Leser die Machtverhältnisse jener Zeit auf und erleichtert es, die spätere Reise der Protagonisten nachzuverfolgen.

Die Geschichte beginnt mit einem packenden  und geheimnisvollen Prolog  („Die Piraten Gottes“), in welchem noch keine konkreten Figuren benannt werden. Der Leser befindet sich sofort mitten im Geschehen und möchte nun gespannt erfahren, wie die Geschichte wohl weitergeht.

Auf den Prolog folgt ein Kapitel, in welchem die Hauptfiguren Edith und Robert de Kyme eingeführt werden. Beides sind normannisch/angelsächsische Adlige, deren Vater als Kreuzritter verschollen ist. Nun möchte ihre Mutter diesen für tot erklären lassen, um ihren normannischen Liebhaber zu heiraten, die zwei Kinder aus erster Ehe loszuwerden und alleinig den Besitz ihres Mannes zu erben. Diesem Schicksal wollen sich die jugendlichen Protagonisten jedoch nicht einfach so beugen und somit beginnt eine spannende Reise, die sie zunächst nach London zu König Richard und später bis nach Jerusalem führt.
Die große Aufgabe, welche Edith und Robert zu bewältigen haben, ist, ihren verschollenen Vater wieder zu finden. Hierbei werden sie immer wieder von größeren und kleineren Personengruppen herausgefordert, die sie von ihrem vorbestimmten Weg abbringen wollen. Die Figurenkonstellation ist dabei nicht immer klar in gute und böse Mächte unterteilt, oftmals entpuppen sich zunächst gefährlich anmutende Figuren als gutmütig und auch anders herum. Diese Gegner, welche die Helden immer wieder zur Entwicklung ihrer Fähigkeiten herausfordern, zeigen sich nicht nur in der Gestalt von Gesetzlosen aus dem Barnsdale Forest, sondern auch als ein skrupelloser Kapitän und nicht zuletzt versuchen auch die Vasallen des Sheriffs von Nottinghams ihnen das Leben immer wieder schwer zu machen. Gerade diese Facette des Buches trägt immer wieder zu einem Anstieg der Spannungskurve bei.

Edith de Kyme stellt eine überaus überzeugende Heldin dar. Sie ist mutig und gewitzt und nie um eine gute Antwort verlegen. Ihren Bruder Robert rettet sie häufiger aus brisanten Situationen, in welche er sich durch seinen jugendlichen Übermut selbst bringt. Die beiden werden sowohl von einem gleichaltrigen Jungen namens Johnny Greenleaf begleitet, als auch immer wieder von Bruder Brion. Wie eine schützende Hand legt sich die Person des Bruder Brion über das Geschwisterpaar. In brenzligen Situationen steht er ihnen bei und bestimmt aus dem Hintergrund über die Geschicke der beiden. Zunächst wird der Leser im Glauben gelassen, dass es sich bei „Bruder“ Brion wirklich um einen Mönch handelt, im Laufe des Romans wird jedoch aufgeklärt, dass er eigentlich ein Tempelritter ist.

Die von Christian Vogler beschriebenen Stationen der „Reise des Helden“ können (ohne fantastische Elemente) in diesem Roman identifiziert werden. Zunächst wird die gewohnte Welt der Hauptcharaktere beschrieben. Mit einer schrecklichen Prophezeiung der örtlichen Wahrsagerin, dass der neugekrönte König Richard erschlagen zu Füßen von Edith von Kyme liegen werde, beginnt die Geschichte bereits von Anfang an mit der geheimnisvollen Aussicht auf ein tragisches Ende. Umso spannender wird es, wenn das Ende dann wirklich eintritt und der Leser endlich erfährt, inwiefern sich die Prophezeiung bewahrheitet oder nicht. Diese Prophezeiung kann auch bereits als „Der Ruf des Abenteuers“ angesehen werden, da sich das Geschwisterpaar kurz darauf aufmacht, um am Hof König Richards um Hilfe zu bitten. Ihre große Aufgabe besteht nun darin, ihren verschollenen Vater wiederzufinden, um in ihr gewohntes Leben zurückzukehren. Auf dem Weg nach London geraten die beiden in mehrere brenzlige Situationen, aus denen sie sich mit viel Glück, Zufall und Witz immer wieder befreien können. Die Spannungskurve intensiviert sich mit dem Beginn der Reise nach Palästina und gegen Ende des Romans steht im Kampf gegen den Sultan Saladin die alles entscheidende Prüfung an. Mit der Wiedervereinigung von Wilfrid de Kyme mit seinen Kindern zeigt sich die Belohnung für alle erlittenen Strapazen, und dem Leser wird deutlich, dass, solange der Stimme des Herzens gefolgt wird, man am Ende nur richtig liegen kann.

Der Spannungsbogen wird dabei in der Geschichte permanent aufrechterhalten und zum Ende hin noch einmal sehr stark gesteigert. Durch viele Verwechslungen, erzählerische Tricks und unerwartete Wendungen wird der Leser ständig zum Weiterlesen animiert und immer tiefer in den Bann des Buches gezogen.

Die Schriftgröße ist angenehm groß, und das Buch ist mit rund 400 Seiten eher umfangreich, wird jedoch durch die kurzen Kapitel mit vielen Szenenwechseln nie langweilig. Das Buch ist in drei Teile gegliedert, welche jeweils die Zeitspanne von einer Jahreszeit umfassen (Sommer, Herbst, Winter des Jahres 1189).

Hilfreich ist die Namensliste zu Beginn des Buches, wo sowohl die fiktiven Charaktere als auch die historischen Persönlichkeiten aufgelistet werden.
Die Sprache mutet oft etwas altertümlich an, ist jedoch gut verständlich und bereitet dem geübten Leser keinerlei Probleme.
Fazit: „Löwenherz. Im Auftrag des Königs“ ist ein spannender historischer Roman, der sowohl Jungs und Mädchen als auch erwachsene Leser in seinen Bann ziehen kann!

„Löwenherz“ ist als historischer Roman bei geschichtlich interessierten Jungen ein guter Einstieg in das Thema „Europa im Mittelalter“. Durch die Vermischung von Fiktion mit realen Elementen ist der Roman sehr reizvoll gestaltet. Für interessierte und geübte Jungen ist der Roman ab 12 Jahren zu empfehlen, ansonsten wäre eine Empfehlung für Jungen ab vierzehn Jahren zu geben. Durch die sich im Hintergrund anbahnende Romanze zwischen der Protagonistin Edith de Kyme und König Richard ist das Buch auch für Mädchen durchaus zu empfehlen.